Pastor Hermann Heinrich berichtet

Sabbatical - Kontaktstudium - Auszeit

Alle 10 Dienstjahre haben wir als Pastorinnen und Pastoren des Landeskirche Hannovers die Möglichkeit, für drei Monate ein „Sabbatical“ zu machen. Aber nicht so, dass wir einfach frei hätten und durch die Welt reisen könnten, sondern Freiheit verbunden mit „Noch einmal studieren dürfen“ an der Uni. Ich habe dieses Angebot dieses Frühjahr an der Universität Greifswald wahrgenommen.

Für mich war es aber grundlegend auch eine Auszeit vom stressigen Pastorenalltag!

Studentenleben

Also noch einmal „Studentenleben“!? Zusammensitzen, diskutieren, streiten, lesen, Partys? Leider kaum – wegen Corona. Wir durften uns selten treffen bis in den Juni hinein. Die Veranstaltungen waren fast alle als Zoom-Konferenzen. Aber auch das war einfach toll, weil es tolle Lehrende waren und es bei den Übungen wirklich um Diskutieren und Verstehen ging und nicht einfach um Wissensvermittlung!

Und sonst?

Auf der anderen Seite war so auch Zeit für andere Dinge. Ich habe die Gegend hier intensiv mit dem Fahrrad erkundet und manche Stunde in Wieck am Bodden einfach aufs Wasser geschaut. Und natürlich waren auch viele Ziele lohnenswert, wie Usedom, Rügen oder Darß. Und gerade am Anfang – beim Lockdown, hatte man die Strände wirklich für sich. Denn bei den strengen Regeln, durften selbst meine Frau Andrea und Madlena mich nur mit einem Berechtigungsschein besuchen kommen.

Allein ohne Frauen - Junggesellenleben!

Denn jetzt war ich hier ja wirklich das erste Mal wieder „Junggeselle“. Weder meine Frau noch die Kinder waren an meiner Seite. So war ich sehr unabhängig, aber eben auch wieder für alles allein verantwortlich, Essen, Putzen, .... und das für meine 2-ZKB in der Plattenbausiedlung.

Einmal Platte - immer Platte?

Ja, das ist schon etwas anderes für einen Menschen wie mich, der vom „Dorf“ kommt und das Einfamilienhaus schätzt. Hellhörig, fünfstöckig, 3000 Menschen auf engstem Raum. Aber auch alles zur Versorgung in 1km Umgebung. Supermärkte, Eiscafé, Friseur, Blumenhändler, Dönermann und Ärztehaus. Aber auch viele Menschen in einer prekären Lebenssituation mit wenig Perspektive.

„Glück im Topf“ – „Nebenan“ und „Jumpers“

„Glück im Topf“, so hieß die evangelistische Veranstaltung der Johanneskirchengemeinde hier letzte Woche. Vier Tagen haben Sie Kinder und ihre Familien eingeladen zu Spiel, Spaß, Kuchen, Musik und Verkündigung. Die - in unseren Augen kleine Gemeinde von gerade einmal 793 Mitgliedern (!) - hat Unglaubliches auf die Beine gestellt. Und dort erzählte der Pastor von einem Gespräch mit einer Frau, die sagte, sie habe 5 Kinder von 5 Männer, die aber jetzt alle nicht mehr bei ihr leben und die Kinder habe sie alle ins Heim gegeben und sei froh nun Ruhe zu haben. Diese Menschen dann anzunehmen, offen zu sein, ja sie zu lieben und nicht gleich zu wissen und zu sagen, was da verkehrt läuft – eine echte Herausforderung.

Mit der Gruppe der Sabbaticals durften wir auch das Projekt „Nebenan“ in Bergen auf Rügen besuchen. Die Herausforderung dort ist auch, sich genau auf die Menschen einzulassen, zu schauen, wie sie leben und wie die frohe Botschaft von Gottes Liebe und Rettung dort reinpasst. Dort, wo die Menschen nicht gerne von sich erzählen, wo niemand liest und dazu noch skeptisch allem Religiösen und Institutionen gegenüber sind. Dabei ist die grundlegende Idee, dass die Team-Mitglieder alle dort im Plattenbau mit den Menschen leben. Sie leben mit den Menschen und haben einfach Zeit für sie. Und am gleichen Tag waren wir auch beim Projekt von

​Jumpers in Saßnitz mit Oli Schalck, den wir ja als Prediger letzten September bei uns hatten. Beeindruckend auch hier mit welchem Einsatz die Menschen hier arbeiten. Eben auch wieder mit ihnen leben, gegen Widerstände anbeten („Wir wollen euch hier nicht!“) und erleben, wie Liebe die Kinder öffnet.

Und was bleibt? „Was bringst du mit, Hermann“

War das und manches Andere nun eine Sightseeing-Tour oder Beispiele, die man einfach kopieren kann? Weder dies noch jenes, obwohl ich sicher manche auch sehr konkrete Anregung mitnehmen werde. Aber es geht eben nicht um „kopieren“, sondern um „kapieren“. Und was mir hier wirklich sehr deutlich geworden ist, ist, dass man immer genau schauen muss, mit welchen Menschen man es zu tun hat und wie die frohe Botschaft dort hineingesprochen werden muss, damit sie Menschen erreichen kann.

Und noch eins nehme ich hoffentlich mit in den Pfarralltag in der Gemeinde – Entspannung. 😊

Lieblingswege und Orte

Deswegen will ich schließen mit wunderbaren Erlebnissen, die ich machen und erleben durfte. Meine Lieblings-fahrrad-runde ist: Einmal rund um die Ryck. Das ist der Fluss, der hier in Wiek in den Greifswalder Bodden mündet. Die Runde ist ca. 20 km lang und entlang an der Ryck, durch die wunderschöne Stadt Greifswald und dann am Bodden lang, traumhaft!

Und wir durften einen Samstag pilgern. Gemeinsam mit dem Pilgerpastor Bernd Lohse aus Hamburg durfte wir laufen und besinnen, fühlen und erleben. Es war wohltuend. Oder in Freest in den Hafen zu fahren und dort dann direkt vom Boot fangfrischen Fisch zu kaufen – ein Geschenk. Oder das Lieblingsmotiv des Greifswalder Malers Caspar David Friedrich, die Klosterruine Eldena. Es lohnt sich wirklich, hier Urlaub zu machen

Ich bin dankbar für diese Zeit, die ich hier hatte und freue mich nun, euch bald alle wiederzusehen

 

Gott befohlen, euer Hermann

 

Gott befohlen, euer Hermann​